Bei der niederländischen BAM hat die Safety Culture Ladder (SCL) fruchtbaren Boden gefunden. Die verschiedenen Facetten dieser Philosophie bilden eine der zwei Strömungen, mit denen das Unternehmen eine sichere Arbeitsumgebung schaffen will, erzählt Hans Wentink.
Wentink ist Co-Leiter der Abteilung QHSE des niederländischen Bauunternehmens BAM. Er ist für zwei der vier Segmente, aus denen das Unternehmen besteht, zuständig: BAM Bouw & Techniek und BAM Specials. „In unserem Leitungsteam richte ich mich hauptsächlich auf Sicherheit und dann insbesondere auf ihren Kulturaspekt.“
Risikowahrnehmung
In den Segmenten, für die Wentink zuständig ist, wird seit 2019 mit der SCL gearbeitet. „Der wichtigste Grund dafür war, dass es immer noch relativ viele Unfälle gab und Sicherheit einen höheren Stellenwert bekommen sollte. In prozessbezogener Hinsicht war alles tipptopp geregelt, mit zum Beispiel Sicherheits- und Gesundheitsplänen als auch einem Sanktions- und Belohnungssystem. Wie wir jedoch feststellten, fanden diese Dinge in der Praxis nur wenig Beachtung und war die Risikowahrnehmung unter den Arbeitnehmern völlig unterschiedlich. Was dem einen gefährlich erscheint, kann auf einen anderen unbedenklich wirken. Wenn man die Sicherheit auf ein höheres Niveau bringen will, muss man einfach miteinander ins Gespräch kommen.“
Sicherer
Das offene Gespräch über Sicherheit hat BAM zu einem sichereren Unternehmen gemacht, findet Wentink. „Zuvor drehte es sich hauptsächlich um die Durchsetzung der Vorschriften, zum Beispiel über das Anlegen einer persönlichen Schutzausrüstung. Wird ein Helm getragen, ist alles in Ordnung, trägt jemand keinen Helm, wird er bestraft. Die SCL hilft dabei, miteinander ins Gespräch zu kommen und zum Beispiel gemeinsam zu überlegen, warum jemand seinen Helm nicht trägt, obwohl das vorgeschrieben ist. So schafft man viel mehr Bewusstsein bei seinen Arbeitnehmern. Wir haben diese Vorschrift nicht, um die Leute zu ärgern oder sie schön aussehen zu lassen, sondern weil wir möchten, dass alle am Abend wieder sicher zu Hause bei ihrer Familie sind.“ Wentink gibt noch ein Beispiel. „Wir machen ein Projekt für eine Gemeinde, das Hebearbeiten bei einer Kindertagestätte umfasst. Wir überlegen dann mit der Gemeinde, ob es sicher ist, die Kinder während dieses Projekts draußen spielen zu lassen. So sensibilisieren wir auch die Auftraggeber bereits in der Angebotsphase für Sicherheit.“
Zwei Strömungen
Die SCL ist bei BAM eine der beiden Strömungen, die miteinander verflochten sind und zusammen für ein sicheres Arbeitsumfeld sorgen sollen. Die grüne Strömung umfasst „harte“, messbare Dingen wie Vorschriften, Verfahren und Strategien. Die orangene Strömung umfasst „weichere“ Aspekte wie Einstellung und Verhalten, Kommunikation und Vertrauen, die sich weniger gut messen lassen. „Sicherheitszertifikate, Toolboxen und dergleichen fallen in die erste Strömung, aber wie man diese genau erhält und verwendet, fällt in die zweite Strömung, erläutert Wentink die Auffassung von BAM. „Und da kommt die SCL ins Spiel. Zusammen bringen die die beiden Strömungen die Sicherheit auf ein höheres Niveau.“ Wentink sieht das auch. Durch Einführung der SCL hat sich nämlich die Meldebereitschaft erhöht. „Das Thema ist also präsenter und wird offener diskutiert. Wirklich ein positiver Effekt.“
Breitere Perspektive
BAM versucht, die Philosophie der SCL auch bei Kunden und Auftraggebern Wurzeln schlagen zu lassen. „Das verträgt sich manchmal nicht mit den finanziellen Aspekten von Projekten. Aber es ist uns wichtig, die Sache anzusprechen und einen ernsthaften Dialog darüber einzugehen.’
Tipps
Die Einführung der SCL stieß in erster Instanz bei BAM schon auf etwas Widerstand, erinnert Wentink sich. „Die erste Reaktion war doch: noch ein Zertifikat?“ Wir haben viel Lobbyarbeit verrichten müssen, um alle im Unternehmen den Nutzen davon einsehen zu lassen und zu zeigen, wie wichtig dieser Kulturaspekt der Sicherheit ist. Aber jetzt ist deutlich, dass es funktioniert, und wird es voll unterstützt.“ Außer einen eventuellen Widerstand zu brechen, hat Wentink den Tipp, sich nach der richtigen Zertifizierungsstelle umzusehen, die zum Unternehmen passt. „Ein Audit verläuft dann viel glatter.“